Zellularautomaten

John von Neumann war einer der großen Denker unseres Jahrhunderts und legte zusammen mit Alan Turing den Grundstein unserer heutigen Informatik. Auf der Grundlage der neu geschaffenen Automatentheorie erarbeitete er in den fünfziger Jahren ein System aus einfachen abstrakten Automaten, dass in der Lage war, selbst-reproduzierende Strukturen zu erhalten (siehe Ne66). Die Fähigkeit zur Selbstreproduktion ist ja eines der Hauptmerkmale lebender Systeme und somit hat John von Neumann auch zur Entwicklung der ALife-Forschung beigetragen.

Von Neumanns Strukturen vermehrten sich in einer Umgebung, die als zellulärer Automat (engl. cellular automaton, CA) bezeichnet wird. Ein zellulärer Automat besteht aus einer gewissen Anzahl identischer Zellen und wird meist mit Hilfe eines Computers in diskreten Zeitschritten simuliert. Zu jedem Zeitpunkt hat jede solche Zelle einen wohldefinierten Zustand aus einer endlichen Zustandsmenge. Die nach einer bestimmten Geometrie angeordneten Zellen werden meistens als kleine Rechtecke auf dem Computerbildschirm dargestellt, wobei die Farbe eines Rechteckes den jeweiligen Zustand der Zelle repräsentiert. Von einem Zeitschritt zum nächsten erhält jede Zelle die Zustände der Zellen in ihrer Nachbarschaft als Eingabe und reagiert darauf mit einer Änderung ihres eigenen Zustandes im nächsten Zeitschritt. In der Darstellung auf dem Bildschirm ergibt sich somit eine Abfolge unterschiedlicher Muster. Die Vorschrift, nach der dies geschieht, ist die sogenannte Übergangsfunktion des Zellularautomaten. Sie ordnet jeder möglichen Kombination von Zuständen der Nachbarschaft und der betreffenden Zelle selbst einen Folgezustand zu.

Bei John von Neumanns Automaten entwickelte sich aus einem vorgegebenen Zellmuster in einer endlichen Anzahl an Zeitschritten ein weiteres, dem ursprünglichen identisches Muster, wobei das ursprüngliche Muster nach dem Kopiervorgang erhalten blieb. Dies ist mit dem Vorgang der Zellteilung lebender Zellen vergleichbar.

An zellulären Automaten läßt sich ein Grundprinzip des Lebens - und damit auch künstlichen Lebens - sehr schön beobachten, nämlich die Emergenz komplexer, globaler Verhaltensweisen aus einfachen, lokalen Regeln. Keine der Zellen weiß was sich auf übergeordneter Ebene (also im Gesamtbild des Zellularautomaten) abspielt, sie handelt lediglich nach ihrer sehr einfachen, deterministischen Übergangsfunktion. Dennoch kann die Gesamtheit aller Zellen eines Zellularautomaten verblüffend komplexe Muster hervorbringen, die sich aus dem Verhalten der einzelnen Zelle nicht vorhersagen lassen. Nur die Verbindung vieler Zellen bringt diese Muster zutage, es handelt sich also um eine emergente Eigenschaft.


Eindimensionale Zellurautomaten
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© 02.02.2000 Christoph Haas